Diese hier folgenden Zeilen von mir sind persönlich an mein Team – dem besagten Becher Team gewidmet. Hiermit möchte ich ihnen Dank und meine Wertschätzung ausdrücken. Was sie am Becherhaus geleistet haben, stellt vieles in den Schatten. Ihre Leistung, ihre Leidenschaft, ihre Menschlichkeit und Freundschaft waren und sind heute noch außergewöhnlich.
Unsere Theorie – nicht nur Worte
Diese Arbeit auf 3.200m, welche über einen Zeitraum von einem Jahr erfolgten sind einer Expedition gleichzusetzen. Wir kannten das Ziel, was uns aber auf dem Weg dorthin erwartete, war uns nur zum Teil bekannt. Im Sommer 2020, als es fix war, dass wir die Arbeit machen dürfen, stellten wir Überlegungen an, wie wir es am besten hinbekommen. Zu Anfang waren wir nur zu viert, das sogenannte Kernteam vom Becher. Wir spielten mit dem Gedanken, diese Arbeit den Winter über zu machen. Mit der Zeit stellte sich heraus, dieser Gedankengang ist nicht abwegig und wir können es schaffen, aber nur dann, wenn wir die richtige Mannschaft haben. Wir waren uns eines bewusst, der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Mannschaft und daran gilt es zu arbeiten.
Die Auswahl des Teams
Jeder und jede vom Becherteam war speziell. Handwerkliche Begabung und die Liebe zum Berg waren Grundvoraussetzungen. Wichtiger noch war aber das Menschliche, die sogenannte soziale Kompetenz der Beteiligten. Diese stand klar im Vordergrund und nach diesen Grundsätzen wurde die Wahl getroffen. Nicht jeder kann da mitmachen. Ein solches Vorhaben verlangt körperlich und geistig einiges ab. Besonders dann, wenn man sich vor Augen führt, dass es da oben Momente gibt, bei denen man auf sich allein gestellt ist. In Summe waren gut 50 Menschen an diesem Projekt beteiligt. Vom Auftraggeber, dem Land Südtirol, dem Planungsteam, dem Heliteam bis zu den verschiedenen Handwerkern war alles vertreten. Das Besondere daran, der Umgang war immer auf Augenhöhe und mit Respekt geprägt. Die Liste der Namen ist lang und mein Vater Hubert Trenkwalder hat am Ende der Arbeit eine Dankestafel gemacht, welche heute in der Kapelle „Maria im Schnee“ am Becherhaus hängt. Eine goldene Rose auf einer alten Becherschindel ziert diese Tafel, auf der jeder Einzelne namentlich gelistet ist. Diese Tafel gilt als Dank an die Mutter Gottes, für ihren Beistand für die unfallfreien Arbeiten am Becherhaus. Einige Teammitglieder möchte ich hier in diesen Zeilen hervorheben. Es sind jene, welche am Becherhaus von Beginn an Großartiges geleistet haben. Sie haben sich wahrlich ausgezeichnet und aus meiner Sicht sind sie bereits in die Geschichte des alpinen Bauens in Südtirol eingegangen. Der Altersdurchschnitt des Teams war 28 Jahre, das ist jung und das ist gut so.
Stefan (30) war meine rechte Hand am Becher. Von Beginn an war er immer vor Ort, bis zur letzten Minute. Niemand kennt den Becher, seine Wetterkapriolen und das Becherteam so gut wie er. Seine Aufgabe war die Führung der Mannschaft vor Ort, die Logistik und Organisation und die Sicherheit. Allein schon seine Anwesenheit strahlte Sicherheit aus. Auf meine Frage ganz zu Anfang des Projektes, ob wir das wohl schaffen würden, antwortete er nach einer kleinen Bedenk pause knapp, Ja Chef, das geht. Mehr brauchte ich nicht wissen. Immer wenn Schlechtwetterfronten im Anzug waren und es bei einem möglichen Unfall kaum Aussicht auf Rettung gab, Fliegen nicht möglich, terrestrische Rettung nur bedingt möglich, so stand er beim Frühstück in der Stube vor der Mannschaft und sagte: heute arbeiten wir langsam und sicher. Dies war keine Bitte, sondern ein Befehl. Immer dann, wann ein Mannschaftsmitglied nicht auf der Höhe war, so war Stefan bei ihm. Redete mit ihm und saß beim Essen neben ihm. Das machte er so lange, bis es wieder passte. Am letzten Tag auf der Baustelle, es war Freitag 13.August 2021 schickte er seine Mannschaft nach Hause ins Tal und er blieb noch alleine für weitere 4 Tage an der Hütte. Er musste in Ruhe von seinem Baby dem Becherhaus Abschied nehmen. Das Becherhaus trägt ganz klar seine Handschrift und Stefan hat eine Spur hinterlassen.
Seine rechte Hand Raphael (20 Jahre jung) stand stehts an der Seite von Stefan. Sozusagen sein Lehrling, was er zu Beginn der Baustelle auch war. Im Laufe der Arbeiten, ich denke es war Mai, hat Raphael seine Gesellenprüfung abgelegt. Für das Lernen hatte er wenig Zeit, dennoch hat er es geschafft und die Prüfung erfolgreich abgeschlossen. Raphael war gleich wie Stefan für die Organisation und im speziellen für die Flugarbeiten zuständig. Er koordinierte die Material- und Personentransporte, regelte vor Ort die Logistik und konnte, wenn die Fluggewichte nicht passten, ziemlich unangenehm werden. Unser Flugtechniker Uli meinte mal zu mir, am liebsten fliegt er mit Raphael. Er nimmt die Sache sehr ernst und was er sagt, das passt. Seine Lebensfreude und ständig gute Laune hat alle im Team angesteckt. War die Situation noch so verfahren oder auch teilweise gefährlich, die gute Laune war immer da. Raphael ist in dieser Zeit am Becherhaus über sich hinausgewachsen und hat sich zu einem großartigen, verlässlichen Menschen entwickelt. Von August 2020 bis Februar 2021 mussten wir uns selbst versorgen, d.h. kochen, Wasserhaushalt führen, Feuer machen. Alles was es in einem Haushalt braucht ist zu tun. Im speziellen beim Kochen hat sich Kurt mit Spitznamen Fuzzy ausgezeichnet. Nicht nur das er ein begnadeter Handwerker ist, der alles kann, auch die Küche liegt ihm. Am Ende eines sehr kalten Tages im März tischte er uns seine selbstgemachte Pizza auf. Klingt jetzt einfach, ist es in dieser Höhe auf 3.200 m aber nicht. Das Wasser kocht hier bei 75° und nicht alles gelingt auf Anhieb. Kurt aber hat es geschafft mit dem alten Backrohr vom Holzofen die beste Pizza zu machen, die wir je gegessen hatten. Zudem hat sein musikalisches Talent als Löffelschlager die Klänge der Ziehharmonika von Heiko, unserem Elektriker, immer bereichert.
Wenn es um den Strom ging, dann gibt es zwei Namen, Kurt & Heiko. Unsere Elektriker waren ständig unter Strom. Was sie dort gezaubert haben, dass wir immer Strom hatten und gleichzeitig das gesamte Stromnetz erneuerten grenzt an ein Wunder. Strom hier ist Lebensquelle, gleich dem Wasser. Die gesamte Versorgung lief über das alte Stromaggregat und den alten Batterien. Kurt hatte die Fähigkeit dort denn Durchblick und die Weitsicht zu bewahren, wo andere lang aufgegeben hätten. Es ist ja keine Baustelle, wo wir waren, wir leben auf der Baustelle und zeitgleich alles so hinzubekommen, dass es keine Schwierigkeiten gibt, ist eine außergewöhnliche Gabe. Heiko hat das Talent der Musik. Seine Klänge auf der Ziehharmonika haben die Abende so verschönert, dass ich sie hier nicht beschreiben kann. An einem Abend im Frühsommer haben wir ein Lagerfeuer vor der Hütte gemacht. Heiko spielte mit der Ziehharmonika, stundenlang. Wir alle saßen daneben, starrten ins Feuer und jeder von uns hatte Gänsehaut. Ich erinnere mich an einem der letzten Abende. Kurt und ich waren als einzige vom Team noch in der Hütte, weil der Aggregat zicken machte. Wir haben Rum getrunken, Kurt mag guten Rum. Irgendwann um 2 Uhr früh ging ich zu Bett, in unserem gemeinsamen Zimmer. Kurt kam 2 Stunden später, er musste noch allein in der Küche nachdenken, wie er das Energiesystem der Hütte verbessern kann. Feierabend kennt er nicht.
Wenn man heute in die neue Stube geht, welche Richtung Osten zeigt, so kann man ein Meisterwerk der Tischlerarbeiten erkennen. Jedes Detail stimmt, jeder Anschluss ist mit Liebe ausgeführt, man kann es förmlich spüren. Allein der Eingangsbereich ladet zum Zutritt ein. Das war Paul, unser Tischler. Er hat seine Fähigkeiten dort oben verewigt und das macht ihm so schnell keiner nach. Paul kennt das Becherhaus seit über 30 Jahren. Als Hüttenwart und Bergretter war er immer schon da, Paul liebt diese Hütte und das sieht man an seiner Arbeit. Bevor nicht alles so war, wie er es sich vorstellte, vorher gab er keine Ruhe. Viele Nächte saßen wir gemeinsam in der neuen Stube, damals noch Baustelle. Viele Ideen wurden dort geboren und umgesetzt. Paul eben.
„Wo, geat schu“ die Antwort von Lorenz auf die Frage, ob es da draußen beim Schneesturm noch auszuhalten ist. Lorenz, Tobias, David und Alois waren die Zimmerer hier. Zuständig für die wunderbare Fassade aus Lärchenschindeln und dem restlichen Holzarbeiten im Außenbereich. Am ersten Tag, als sie vor Ort waren hatte es minus 30 Grad. Nicht gerade der Hit mit den Außenarbeiten anzufangen, dennoch haben sie es gemacht. Lorenz und Tobias sind Brüder, 24 und 17 Jahre alt. Nach einer Weile kam ihr Vater Alois dazu. Sie haben ihn um Hilfe gebeten und Alois kam auf den Becher. Er wäre bereits in Pension, dennoch kam er und brachte uns handwerkliche Dinge bei. Schaut man die Schindelfassade an, so sieht man die Liebe zum Detail. Man sieht die Leidenschaft, wie es gemacht wurde. Egal wie das Wetter war, die Zimmerer haben immer weitergemacht. Beständig in ihrem Rhythmus und zielstrebig bis zum Schluss.
Wenn es ums Wasser geht, welches hier ja ein kostbares Gut ist und alles davon abhängt, dann gibt es zwei Namen. Luis und Sonja, unzertrennlich die Installateure. Luis war dermaßen in diese Arbeit versessen, dass er den gesamten Umbau, und das ist nicht gerade wenig, zweimal im Kopf durchgespielt hat. Wenn man mit ihm darüber redete, dann sah man das Feuer in seinen Augen. Die Worte schwallten aus seinem Mund und er konnte gar nicht mehr damit aufhören. Und da war noch die Sonja, das Lehrmädchen von Luis, 20 Jahre jung. Sie wollte unbedingt mit auf den Becher. Ich gebe zu, wir fanden die Idee super, dennoch waren wir skeptisch. Nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern wegen dem Umstand, dass wir ein reiner Männerhaushalt am Becher sind, kein Wasser haben und keine ordentlichen WC’s. Sonja hat einen Satz gesagt, der uns alle dazu brachte, sie mit ins Team zu nehmen. Sie sagte kurz und knapp, ich will da mitmachen, denn diese Gelegenheit bekomme ich nur einmal im Leben. Sie war eine Bereicherung für das gesamte Team und ihre Art und ihr Wesen haben uns alle angesteckt.
Es gäbe noch so vieles mehr zu erzählen, über die Beteiligten, über Geschichten, aber hiermit mache ich meinen Abschluss. Ich kann nur eines sagen, ich bin stolz auf mein Team.